Samstag, 12. Juli 2008

Homestory Deutschland: Das Theaterstück












Was wäre wenn…

… Anton Wilhelm Amo (geboren 1713), Henriette Alexander (geboren 1817), Billy Mo (geboren 1923), Fasia Jansen (1929) und May Ayim (geboren 1960) in einem zeitlosen Raum aufeinander träfen?

Der junge Autor Tyrell (28 Jahre) hat den Auftrag, ein Theaterstück zur Ausstellung „Homestory Deutschland“ zu schreiben. Zunächst hadert er mit dem Titel, impliziert er doch die Frage nach seiner eigenen Homestory, seinem Home, seiner Heimat, seinem Heimatempfinden.

Um dem entstehenden Stück eine Struktur zu geben, reflektiert er die Aspekte und Phasen, die das Leben eines Schwarzen Menschen in Deutschland prägen; die Kindheit, An- und Abwesenheit der Familie, der Beruf/die Berufung, ein wie auch immer geartetes politisches Engagement. Da alle Protagonisten bereits verstorben sind, macht sich Tyrell auch Gedanken, um deren Tod und Vermächtnis. Doch Tyrell kommt in seiner Arbeit nicht recht voran, da er sich immer wieder durch Geräusche aus der Nachbarwohnung gestört fühlt…

Ohne es zu wissen beeinflusst Tyrell mit seinen Fragestellungen und Gedankengängen das Gesprächsgeschehen und Agieren der fünf historischen Protagonisten, denn Amo, Henriette, Billy, Fasia und May haben sich bereits in einer Parallelwelt zusammengefunden - seltsamerweise in einer Wohnküche. Aber da sie nun schon einmal da sind - denken sie sich - nutzen sie die Gegebenheiten und jeder/jede kocht sein Lieblingsgericht in der Hoffnung, sich über die kulinarischen Vorlieben gegenseitig besser kennen zu lernen.

Doch schon beim gemeinsamen Zubereiten der Speisen, kommt es - wie in jeder Küche, in der Freunde gemeinsam kochen - zum Austausch verschiedenster Lebensgeschichten. Ent- und ermutigende, schmerzhafte, fröhliche und hinterfragende Erinnerungen tauchen auf und werden so plastisch, dass die Protagonisten - ebenso wie das Publikum - sie sehen, hören und spüren können.

Derweil plagt sich Tyrell mit den spärlichen Recherchefunden zu den Personen, über die er schreiben soll. Nicht nur, dass manche Biographien nur sehr fragmentarisch vorliegen. Nahezu alle sind aus einem weißem Geschichtsverständnis heraus geschrieben wurden. Könnte Tyrell die Fünf doch selbst fragen, was jeder/jede Einzelne über ihr/sein Leben berichten wollen würde, was sie für wesentlich halten.

Und als wäre das nicht schon frustrierend genug, raubt ihm der inzwischen unerträgliche Lärm im Nachbarraum, die letzten Funken seiner Konzentrationsfähigkeit. Entnervt will Tyrell dem Treiben seiner Nachbarn ein Ende setzen und stolpert dabei mitten in sein eigenes Theaterstück.

In der Wohnküche ist das Essen gerade fertig. Tyrell wird von den fünf ‚Hobbyköchen’ zu Tisch gebeten. An dieser Tafel sitzen nun aber nicht einfach sechs Personen mit ebenso unterschiedlichen, wie identischen Biographien, sondern auch drei Jahrhunderte Schwarze Deutsche Geschichte. Während die Gastgeber Tyrell mit Fragen über Schwarzes Leben in Deutschland im Jahr 2007 bestürmen, fallen ihm nur zwei Frage ein, die er jeder / jedem Einzelnen stellt: Was hätte aus deiner Geschichte Amo, aus deiner Henriette, aus deiner Billy, deiner Fasia und May; was hättet ihr euch für euer Leben gewünscht? Was hätte aus euren Geschichten eine wirkliche Homestory gemacht?

Ein Tagtraum? Tyrell ist das egal. Er weiß jetzt, dass sein Theaterstück von der Kraft und der Weisheit jedes einzelnen Protagonisten getragen sein wird.


ManuEla Ritz & Sharon Otoo
Samstag 9. August

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